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Müssen Arbeitgeber jetzt generell die Arbeitszeit aller Mitarbeiter erfassen?

Christiane Ordemann • Feb. 11, 2021

EuGH v. 14.05.2019 und ArbG Emden vom 20.02.2020 zur Arbeitszeiterfassung

Das Arbeitsgericht Emden hat am 20. Februar 2020 (2 Ca 94/19) geurteilt, dass Arbeitgeber generell verpflichtet sind, die Arbeitszeit aller Mitarbeiter zu erfassen, obwohl nach deutschem Recht eine generelle Arbeitszeiterfassung lediglich in bestimmten Wirtschaftsbereichen wie Baugewerbe, Gaststätten und Herbergen, im Speditions-, Transport- und Logistikbereich, bei Unternehmen der Forstwirtschaft, Gebäudereinigung, Messebau und Fleischwirtschaft sowie für Minijobber vorgesehen ist. Darüber hinaus ist gemäß § 16 Abs. 2 Arbeitszeitgesetz lediglich die über die werktägliche Arbeitszeit hinausgehende Arbeitszeit, sogenannte Mehrarbeit, aufzuzeichnen.

Das Urteil des Arbeitsgerichts Emden beruht auf einer ebenfalls neueren und viel diskutierten Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zur Arbeitszeiterfassung vom 14.05.2019 (C-55/18). Der EuGH hat gefordert, dass die Zeiterfassung der Arbeitnehmer durch ein objektives, verlässliches und zugängliches System erfolgen muss. Die Mitgliedstaaten müssten alle erforderlichen Maßnahmen treffen, damit den Arbeitnehmern die täglichen und wöchentlichen Mindestruhezeiten und die Obergrenze für die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit der Arbeitszeitrichtlinie tatsächlich zugutekommen. Nur so könne der bezweckte Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer tatsächlich einer Kontrolle durch Behörden und Gerichte zugeführt werden. Dies sei ohne ein System, das die tägliche Arbeitszeit misst, äußerst schwierig oder praktisch unmöglich. Eine Regelung, die keine Verpflichtung der Arbeitgeber vorsehe, die Arbeitszeit systematisch zu erfassen, gefährde somit den Schutzzweck der Arbeitszeitrichtlinie.

Wie die Arbeitszeit tatsächlich festgehalten werden muss, sagt die Rechtsprechung nicht. Vielmehr ist der Gesetzgeber aufgefordert, Regelungen zur Ausgestaltung dieser Verpflichtung zu treffen. Dies bedeutet, dass das Arbeitszeitgesetz voraussichtlich im Sinne der Europäischen Arbeitszeitrichtlinie geändert werden muss.

Bereits jetzt gilt, dass Arbeitgeber ihre Mitarbeiter anweisen dürfen, die Arbeitszeiten eigenständig festzuhalten. Der Arbeitgeber wird dies jedoch stichprobenartig kontrollieren müssen. Das Modell der Vertrauensarbeitszeit – ohne jegliche Zeiterfassung – wird jedenfalls der Vergangenheit angehören. Wie der Gesetzgeber dies umsetzt bleibt abzuwarten.
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